Handwerkerhaus am Beckerwall
Die zahlreichen kleinen Häuser hinter den Stadtwällen sind erst durch Abtrennung von den großen Grundstücken der Hauptgassen seit Anfang des 16. Jahrhunderts während der Zeit kurfürstlicher Residenz und starkem Bevölkerungswachstums in der Stadt entstanden. Hier wohnten die ärmsten Bürger, die abseits von den stattlichen Häusern der Hauptgassen ein bescheidenes und zuweilen auch armseliges Leben führten. Ständig waren sie durch üble Gerüche aus den Wallgräben beeinträchtigt.
Dem kleinen windschiefen Handwerkerhaus hinter dem ehemaligen Beckerwall sieht man seine lange Vergangenheit an. Anfang des 17. Jahrhunderts entstanden und bis 1993 bewohnt, war es dem vollständigen Verfall nahe und konnte erst durch einen engagierten Verein in den Jahren von 2006 bis 2010 gerettet und im weitestgehend ursprünglichen Zustand wiederhergestellt werden. Das Haus ist ein Zeugnis der Wohnkultur ärmster Torgauer Bürger. Anders als die stattlichen Bürgerhäuser der Hauptgassen sind die kleinen bescheidenen Häuser auch aufgrund sparsamer Baudurchführung und vergänglicher Materialien selten erhalten. Einzigartig im heutigen Stadtbild ist das in Fachwerk ausgeführte Obergeschoss des kleinen Hauses. 15 Generationen haben seit 1582 in dem kleinen Haus, das im Erdgeschoss und Obergeschoss jeweils nur eine Stube hat, gewohnt: Böttchermeister, Schornsteinfeger, seit dem 18. Jahrhundert Nachtwächter und Bierschröter, die die schwere Arbeit des Bierausziehens aus den Kellern zu bewältigen hatten. Und schließlich sind es Dienstleute und Arbeiterfamilien gewesen, die hier auf engstem Raum zuweilen auch in zwei Generationen gewohnt haben. 167 Jahre befand es sich im Besitz der letzten hier wohnenden Familie. Die Nachkommen erinnern sich gern an das Wohnen in ihrem kleinen Häuschen. Die Familie Röder hatte an der Wende zum 20. Jahrhundert elf Kinder. Das Haus war so eng, dass einige Kinder ihre Mahlzeiten auf der Bodentreppe einnehmen mussten. Eltern und Großeltern lebten im Haus zusammen, im kleinen Hofraum wurden Enten und Hühner gehalten und der kleine Stall stand für die Ziegen bereit. Zur Selbstversorgung wurde der außerhalb liegende Kleingarten mit genutzt.
Der Besucher wird überrascht sein von der Originalität des Hauses und dass es selbst hier und in diesem Milieu Wandmalereien gibt.
Galerie
- Ansicht Ansicht
- DG Kammer DG Kammer
- Rückseite Rückseite
- Küche mit Herdstelle Küche mit Herdstelle
- Waschhaus von 1919 Waschhaus von 1919
- Treppenhaus Wandfassung mit Blüten Treppenhaus Wandfassung mit Blüten
- OG Stube mit Schiff OG Stube mit Schiff
- OG Diele OG Diele
- OG Stube OG Stube
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