Neuerwerbungen des Museums

Kürzlich konnte das Stadt- und Kulturgeschichtliche Museum Torgau seine Sammlung um zwei Exponate bereichern:

eine Biedermeiertasse mit Ansicht des Rittergutes Kranichau sowie eine Schrift von Johann Kentmann über die Gallensteine.

Biedermeiertasse mit Ansicht des Rittergutes Kranichau

Die zierliche Tasse mit zylindrischem Korpus zeigt das Rittergut Kranichau. Es handelt sich um eine Darstellung in Grisaille-Technik, also in Grautönen. Eingefasst ist sie von einem massiven goldenen Rahmen. Ein vergoldeter, geschwungener Henkel setzt in Blattform am Tassenkorpus an. Komplettiert wird die Tasse durch eine schlichte Untertasse mit goldenem Rand. Eine Marke ist nicht vorhanden. Im Biedermeier (ca. 1815 bis 1850) erfreuten sich solche individuellen Tassen als Geschenk oder Erinnerungsstück großer Beliebtheit. Häufig dienten Stadtansichten als Motive, welche die vordere Tassenhälfte völlig bedecken und von versierten Porzellanmalern nach grafischen Vorlagen gestaltet wurden. Eine solche Vorlage ist uns für die Darstellung Kranichaus allerdings noch nicht bekannt. 

Kranichau liegt ca. 9 km elbaufwärts von Torgau entfernt und kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Der Ort wurde erstmals 1251 als „Cranekowe“ erwähnt. Wahrscheinlich ist das Gut Kranichau um 1500 als Vorwerk des Hauptgutes der Familie Wesenigk in Oelzschau entstanden (M. Wilde: Die Ritter- und Freigüter in Nordsachsen, 1997). Im Lauf der Jahrhunderte gab es sehr viele Besitzerwechsel. 1827 bis 1846 befand sich das Rittergut im Besitz von Carl Friedrich Steinkopf, einem königlich-preußischen Leutnant und Oberamtmann, der es für 14.000 Taler kaufte (ebd.). Die Tasse dürfte in seine Zeit als Besitzer zu datieren sein. 1928 bis 1945 befand sich das Gut im Besitz von Familie Schüttler, die tatkräftig Umbauten und Modernisierungen an den Wirtschaftsgebäuden vornahm, z. B. den Bau eines neuen Kuhstalles, und das Gut durch die schwere Zeit des 2. Weltkrieges führte. 1945 wurde das Gut, dass damals 178 ha Land umfasste, im Zuge der Bodenreform enteignet. Während der DDR-Zeit wurde das ehemalige Rittergut zum „Volkseigenen Gut“ mit Schwerpunkt Schweinemast. Im Erdgeschoss des Gutshauses befanden sich zeitweilig eine Konsumverkaufsstelle sowie ein Kindergarten. (H.-J. Füssel, Manuskript zur Geschichte des Rittergutes). Seit 1996 befindet sich das Gut in Privatbesitz der Familie Tinter und wurde umfassend saniert.

Die detailverliebte Darstellung auf der Biedermeiertasse zeigt das Rittergut aus nördlicher Richtung, mit der Elbe im Rücken. Es handelt sich um eine etwa quadratisch angelegte Gutsanlage mit zweigeschossigem freistehenden Herrenhaus und flacheren Wirtschaftsgebäuden. Deutlich erkennbar ist das imposante Walmdach mit Fledermausgauben des 1775 erbauten Herrenhauses, das zur Trocknung und Lagerung von Tabak genutzt wurde. 1930 kam es zu einem großen Brand im Gutshaus, dem das Dachgeschoss und obere Stockwerk zum Opfer fielen. Familie Schüttler ging sofort an den Wiederaufbau und ließ das Gutshaus im Zuge dessen modernisieren. In der Hofmitte ist ein Taubenhaus abgebildet, das nicht mehr erhalten ist. Dies gilt auch für die am rechten Bildrand dargestellte Windmühle, die jedoch nicht zum Rittergut gehörte. Im Vordergrund ist links ein Teich zu sehen, der heute noch existiert, rechts Wiesen. Belebt wird dies durch sog. Staffagefiguren, die das ländliche Leben verdeutlichen; zu erkennen ist u. a. ein Mann mit Sense über der Schulter. Vom gleichen Standpunkt aus bietet sich dem Betrachter heute ein etwas anderer Blick, denn mittlerweile umgeben hohe Laubbäume das ehemalige Rittergut von der Elbseite her.

Die Tasse ist in der Dauerausstellung zu sehen.

 

Johann Kentmann: Calculorum qui in corpore ac membris hominum innascuntur genera duodecim..., 1565

Kentmann wurde 1518 in Dresden geboren. Er studierte Medizin in Leipzig und ging danach auf einer längere Italienreise, wo er u. a. in Padua studierte und sich mit den italienischen botanischen Gärten vertraut machte. Nach seiner Rückkehr war er 1550 bis 1554 als Stadtarzt in Meißen tätig, danach 20 Jahre lang bis zu seinem Tod 1574 Stadtarzt in Torgau. Nicht nur den Torgauern ist er durch das berühmte "Kräuterbuch" ein Begriff.

Johann Kentmann war vielseitig tätig, neben seinen umfangreichen Aufgaben als "Stadtphysikus" galt seine Liebe der Flora und Fauna. Berühmt ist er sicher v. a. für sein 1563 verfasstes Kräuterbuch mit ca. 600 Pflanzenzeichnungen höchster Qualität, das er für Kurfürst August von Sachsen anfertigen ließ und das sich heute in der SLUB Dresden befindet. Bemerkenswert ist ebenso eine Beschreibung der Elbfische, die sich als Teil des Codex Kentmannus in der Anna-Amalia-Bibliothek Weimar befindet. Im Druck erschien u. a. die "Nomenclatura rerum fossilium", in der er 1.700 sächs. Mineralien beschreibt. Als Arzt schrieb er anlässlich einer Pestepidemie 1553 eine Pestordung mit Empfehlungen zum Umgang mit der Seuche, aber auch allgemeinen Ratschlägen zur Gesundheit. Johann Kentmann verfasste zudem die allererste Monografie über die Gallensteine, das oben genannte Buch. Es ist in der damaligen Wissenschaftssprache verfasst, also Latein, und enthält mehrere Abbildungen.

Anlässlich der Sächs. Landesgartenschau 2022 in Torgau wird im Museum die Sonderausstellung "Vom Paradiesgarten zur Gartenlaube -  Torgauer Gärten von Kentmann bis Schreber" präsentiert. Die Kentmann'sche Schrift über die Gallensteine wird eines der Exponate dieser Schau sein.